Wie funktioniert eine Stillprobe?

In diesem Artikel lernst du, was eine Stillprobe ist, wann sie sinnvoll ist und wie sie durchgefĂĽhrt wird.

Eine Frau mit blauen Handschuhen wiegt ein Neugeborenes auf einer Babywaage.
Bei einer Stillprobe soll abgeschätzt werden, wie viel ein Baby während einer Stillmahlzeit getrunken hat.
Foto: Iryna Inshyna / shutterstock.com

Kleiner Spoiler vorweg: Stillproben verlieren in Deutschland immer mehr an Bedeutung und werden seltener eingesetzt. Den Grund dafür erklären wir dir ebenfalls im Artikel.

Los geht’s!

Was ist eine Stillprobe und wie wird sie durchgefĂĽhrt?

Eine Stillprobe wird häufig durchgeführt wenn der Verdacht besteht, dass ein Baby nicht genug Milch aus der Brust bekommt.

Einsatzbereiche

Leider gibt es keinen „Durchlaufmesser“, den man zwischen Mamas Brustwarze und Babys Mund schalten kann, der die genaue Milchmenge misst.

Manchmal kann es aber wichtig sein zu wissen, wie viel ein Baby genau trinkt: Vor allem dann, wenn es nicht so gut zunimmt, wie es sollte. Da kommen dann Fragen auf wie

  • Hat die Mama genug Milch, um ihr Baby zu ernähren?
  • Ist das Baby in der Lage, die Brust adäquat zu leeren?

Diese Fragen können zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten während der Stillzeit aufkommen, zum Beispiel wenige Tage nach Geburt, wenn das Baby deutlich mehr als 7% seines Geburtsgewichts verloren hat, oder zwei Wochen nach der Geburt, wenn es noch nicht sein Geburtsgewicht wieder erreicht hat, oder aber erst nach mehreren Wochen, wenn es nicht so gut gedeiht, wie es sollte.

Wie ist der Ablauf?

Bei einer Stillprobe wird dein Baby vor dem Stillen zunächst gewogen, oft nackt und nur mit Windel bekleidet. Dann wird gestillt, bis es satt erscheint, abdockt oder einschläft. Nun wird es erneut auf die Waage gelegt – die Differenz der beiden Gewichte ist dann die ungefähre Trinkmenge Muttermilch, die es zu sich genommen hat.

Ein Beispiel:

Mary wurde nach unauffälliger Schwangerschaft per Kaiserschnitt geboren mit 3500 Gramm Geburtsgewicht. Sie ist jetzt drei Tage alt, die Entlassung aus der Geburtsklinik steht an. Die U2 wird durchgeführt, Mary wird auch noch einmal gewogen.

Die Hebamme stellt fest, dass sie nur noch 3150 Gramm wiegt – sie hat also 10% ihres Geburtsgewichts verloren. Das ist leider ziemlich viel! Die untersuchende Kinderärztin bittet eine Stillberaterin dazu, die feststellt, dass die Brust von Marys Mama noch ziemlich weich ist und sich nicht eindeutig im Milcheinschuss befindet.

Die Stillberaterin führt nun eine Stillprobe durch: Sie wiegt Mary nur in Windel bekleidet (3150 Gramm) und legt sie dann an die Brust der Mama an. Mary saugt etwa 20 Minuten und schläft dann ein. Vorsichtig wird sie wieder auf die Waage gelegt. Mary wiegt jetzt 3160 Gramm, hat also scheinbar 10 Gramm durch die Stillprobe zugenommen.

Mit der Stillprobe konnte also (scheinbar!) nachgewiesen werden, dass Mary während der zwanzig Minuten Stillen nur zehn Milliliter Muttermilch zu sich genommen hat (weil 1 Milliliter Muttermilch etwa 1 Gramm wiegt). Es könnte jetzt entschieden werden, dass Mary zugefüttert werden muss, weil sie schon so viel Gewicht verloren hat und offenbar noch nicht genug Milch bekommt.

Eine handelsĂĽbliche, etwas antiquierte Babywaage.
Die für die Stillprobe eingesetzt Waage muss sehr exakt messen können.
Foto: tishomir / shutterstock.com

Bevor wir dazu kommen, warum diese Einschätzung problematisch ist noch die wichtigsten Hinweise zur Stillprobe:

  • Es muss eine sehr, sehr genaue Waage zum Einsatz kommen. Selbst in Kliniken werden hierzu oft Waagen benutzt, die nur auf 5 oder gar nur 10 Gramm genau sind. Idealerweise mĂĽssten Waagen genutzt werden, die auf 2 Gramm genau sind. Diese sind aber teuer und gerade fĂĽr den Hausgebrauch kaum zu rechtfertigen. 5-10 Gramm genaue Waagen können höchstens eine grobe Ăśbersicht ĂĽber die getrunkene Menge bieten.
  • Die Waage muss genau gleich „gefĂĽllt“ sein: Das Baby muss also vor und nach dem Stillen unbedingt genau die gleiche Kleidung tragen – nicht vorher mit Windel und Body, danach nur mit Windel. Dann wĂĽrde uns das Gewicht des Bodys bei der zweiten Messung fehlen und wir wĂĽrden die Milchmenge unterschätzen. Auch HandtĂĽcher, SpucktĂĽcher, MĂĽtzchen etc. mĂĽssen genau gleich aufgelegt werden.

Sind Stillproben sinnvoll?

Am Anfang hatten wir schon gespoilert, dass Stillproben nur noch selten in Deutschland angewendet werden (in anderen Ländern noch deutlich häufiger!).

Es gibt mehrere GrĂĽnde dafĂĽr, warum Stillproben nur selten wirklich sinnvoll sind.

  • Babys trinken bei jeder Mahlzeit unterschiedlich viel: Es ist ganz normal, dass die Trinkmenge bei jeder Stillmahlzeit von mal zu mal schwankt. Das hängt vom Appetit des Babys ab, aber auch von tageszeitlichen Schwankungen der Milchbildung, auch davon, wie lange die letzte Stillmahlzeit her ist. Es könnte beispielsweise sein, dass Mary im Fallbeispiel oben erst vor einer Stunde getrunken hat – und da 30 Gramm zu sich genommen hat. Es mĂĽsste also, um legitime Aussagen treffen zu können, jede Mahlzeit ĂĽber mindestens 24 Stunden „getestet“ werden, was aber einen groĂźen Stress fĂĽr die Familie bedeutet.

  • Die einmal durchgefĂĽhrte Stillprobe misst nicht das natĂĽrliche Stillen: Zwar glauben auch viele Professionelle das, aber Babys trinken natĂĽrlicherweise nicht in festen Mahlzeiten alle paar Stunden. Viel eher ist es so, dass sie immer wieder an die Brust wollen, wenn man sie lässt. WĂĽrde sich das Baby ständig in der Nähe der Brust befinden, wĂĽrde es auch immer wieder trinken wollen. Manchmal fordern sich Babys dieses natĂĽrliche Trinkverhalten beim Clusterfeeding ein. Eine einmalig durchgefĂĽhrte Stillprobe ist also nicht besonders relevant, um die Gesamttrinkmenge ĂĽber den Tag abzuschätzen.
  • Die Beurteilung, ob ein Baby genug Milch bekommt, kann und sollte anhand mehrerer Befunde erfolgen: Um festzustellen, ob ein Baby wirklich zu wenig Milch bekommt, mĂĽssen unter anderem der Gewichtsverlauf und die Ausscheidungen des Babys betrachtet werden. Die Stillprobe allein ist da zu ungenau – und man läuft Gefahr, zuzufĂĽttern, wenn es gar nicht nötig ist, was dann wiederum dazu fĂĽhrt, dass irgendwann tatsächlich zu wenig Milch da ist, weil die Brust nicht häufig genug stimuliert und geleert wird.
Eine Illustration, in der Mitte ein Strichmännchen mit Teufelshörnern und Dreizack. Oben ein orangener Kreis mit Beschriftung "Zu wenig Milch", ein Pfeil zu einem anderen orangenen Kreis führend, beschriftet mit "zufüttern", von dort ein Pfeil zurück zum ersten Kreis.
Egal ob wirklich zu wenig Milch vorliegt, oder ob es fälschlicherweise angenommen wurde – aus der Zufütterung kann sich ein Teufelskreis entwickeln, der zu einer weiteren Abnahme der Milchmenge führt.
  • Babys brauchen unterschiedlich viel Milch: Selbst wenn bei einer Stillprobe eine Trinkmenge von 20 Gramm gemessen wird und damit auf den Tag hochgerechnet werden könnte – jedes Baby braucht ganz unterschiedlich viel Milch. Unterschiede von 500 Milliliter bis 1100 Milliliter sind je nach Alter, Gewicht und individuellen BedĂĽrfnissen ganz normalQuelle. Wichtiger also, nochmal, ist die Gesamtbeurteilung der Situation.

Warum wird die Stillprobe im Krankenhaus trotzdem gemacht?

Das können wir nicht ganz sicher beantworten, aber sicherlich spielen verschiedene Gründe eine Rolle:

  • Tradition / Weitergegebenes Wissen: Wie gesagt wurden Stillproben frĂĽher sehr häufig gemacht und als einziges (oder eines von wenigen) Kriterien genutzt, um zuzufĂĽttern.
  • Mangelnde weitere Mittel die Situation einzuschätzen: Im Krankenhaus stehen oft nicht viele Informationen zur VerfĂĽgung: Das Kind ist erst wenige Tage alt, es gibt wenig Gewichtsmessungen, vielleicht fehlen auch Expert*innen, die die Brust vernĂĽnftig untersuchen und einschätzen können, ob genug DrĂĽsengewebe da ist, ob der Milcheinschuss kurz bevorsteht, etc.
  • Bequemlichkeit: Manchmal mag es auch sein, dass mit einer „negativen“ Stillprobe einer Mutter, die sich noch gegen das ZufĂĽttern sperrt, gezeigt werden kann, dass ihr Kind „gar nichts bekommt“. Entweder wird das dann aus Unwissen, oder aus Dreistigkeit behauptet, weil es natĂĽrlich unter Umständen fĂĽr das Klinikpersonal einfacher sein könnte, zuzufĂĽttern, als sich eingehender mit der Situation auseinanderzusetzen.

Gibt es auch Situationen, in denen die Stillprobe weiterhin sinnvoll ist?

Ja, Stillproben können auch weiterhin eine Ergänzung zur Gesamteinschätzung der „Milchmengen-Situation“ sein. Gerade wenn es darum geht, abzuschätzen, ob jetzt zugefüttert werden muss, oder eben nicht, spielen sie auch weiterhin eine Rolle – mit oben genannten Einschränkungen.

Stillproben können auch eingesetzt werden, wenn es um die Zufütterungsmenge geht. Nimmt ein Baby längerfristig nicht gut zu, kann die benötigte Trinkmenge berechnet werden und dann anhand einer oder mehrerer Stillproben bestimmt werden, wie viel das Baby ungefähr aus der Brust bekommt.

Wenn also ein Baby etwa 10 Mal 80 Milliliter pro Tag trinken sollte, bei einer Stillprobe aber wiederholt nur 30 Gramm nachgewiesen werden, dann könnte die Zufütterungsmenge vorübergehend auf 50 Milliliter pro Mahlzeit angesetzt werden. Aber Achtung: Zu viel zufüttern kann zu einer weitern Verringerung der Milchmenge führen, wenn nicht häufig genug angelegt oder abgepumpt wird. Mehr dazu in unserem Artikel zum Thema Milchbildung anregen.

Quelle Illustration: stournsaeh/canva.com

Cookie Consent mit Real Cookie Banner