In diesem Artikel lernst du, was eine Stillprobe ist, wann sie sinnvoll ist und wie sie durchgefĂŒhrt wird.

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Kleiner Spoiler vorweg: Stillproben verlieren in Deutschland immer mehr an Bedeutung und werden seltener eingesetzt. Den Grund dafĂŒr erklĂ€ren wir dir ebenfalls im Artikel.
Los gehtâs!
Was ist eine Stillprobe und wie wird sie durchgefĂŒhrt?
Eine Stillprobe wird hĂ€ufig durchgefĂŒhrt wenn der Verdacht besteht, dass ein Baby nicht genug Milch aus der Brust bekommt.
Einsatzbereiche
Leider gibt es keinen âDurchlaufmesserâ, den man zwischen Mamas Brustwarze und Babys Mund schalten kann, der die genaue Milchmenge misst.
Manchmal kann es aber wichtig sein zu wissen, wie viel ein Baby genau trinkt: Vor allem dann, wenn es nicht so gut zunimmt, wie es sollte. Da kommen dann Fragen auf wie
- Hat die Mama genug Milch, um ihr Baby zu ernÀhren?
- Ist das Baby in der Lage, die Brust adÀquat zu leeren?
Diese Fragen können zu ganz unterschiedlichen Zeitpunkten wÀhrend der Stillzeit aufkommen, zum Beispiel wenige Tage nach Geburt, wenn das Baby deutlich mehr als 7% seines Geburtsgewichts verloren hat, oder zwei Wochen nach der Geburt, wenn es noch nicht sein Geburtsgewicht wieder erreicht hat, oder aber erst nach mehreren Wochen, wenn es nicht so gut gedeiht, wie es sollte.
Wie ist der Ablauf?
Bei einer Stillprobe wird dein Baby vor dem Stillen zunĂ€chst gewogen, oft nackt und nur mit Windel bekleidet. Dann wird gestillt, bis es satt erscheint, abdockt oder einschlĂ€ft. Nun wird es erneut auf die Waage gelegt â die Differenz der beiden Gewichte ist dann die ungefĂ€hre Trinkmenge Muttermilch, die es zu sich genommen hat.
Ein Beispiel:
Mary wurde nach unauffĂ€lliger Schwangerschaft per Kaiserschnitt geboren mit 3500 Gramm Geburtsgewicht. Sie ist jetzt drei Tage alt, die Entlassung aus der Geburtsklinik steht an. Die U2 wird durchgefĂŒhrt, Mary wird auch noch einmal gewogen.
Die Hebamme stellt fest, dass sie nur noch 3150 Gramm wiegt â sie hat also 10% ihres Geburtsgewichts verloren. Das ist leider ziemlich viel! Die untersuchende KinderĂ€rztin bittet eine Stillberaterin dazu, die feststellt, dass die Brust von Marys Mama noch ziemlich weich ist und sich nicht eindeutig im Milcheinschuss befindet.
Die Stillberaterin fĂŒhrt nun eine Stillprobe durch: Sie wiegt Mary nur in Windel bekleidet (3150 Gramm) und legt sie dann an die Brust der Mama an. Mary saugt etwa 20 Minuten und schlĂ€ft dann ein. Vorsichtig wird sie wieder auf die Waage gelegt. Mary wiegt jetzt 3160 Gramm, hat also scheinbar 10 Gramm durch die Stillprobe zugenommen.
Mit der Stillprobe konnte also (scheinbar!) nachgewiesen werden, dass Mary wĂ€hrend der zwanzig Minuten Stillen nur zehn Milliliter Muttermilch zu sich genommen hat (weil 1 Milliliter Muttermilch etwa 1 Gramm wiegt). Es könnte jetzt entschieden werden, dass Mary zugefĂŒttert werden muss, weil sie schon so viel Gewicht verloren hat und offenbar noch nicht genug Milch bekommt.

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Bevor wir dazu kommen, warum diese EinschÀtzung problematisch ist noch die wichtigsten Hinweise zur Stillprobe:
- Es muss eine sehr, sehr genaue Waage zum Einsatz kommen. Selbst in Kliniken werden hierzu oft Waagen benutzt, die nur auf 5 oder gar nur 10 Gramm genau sind. Idealerweise mĂŒssten Waagen genutzt werden, die auf 2 Gramm genau sind. Diese sind aber teuer und gerade fĂŒr den Hausgebrauch kaum zu rechtfertigen. 5-10 Gramm genaue Waagen können höchstens eine grobe Ăbersicht ĂŒber die getrunkene Menge bieten.
- Die Waage muss genau gleich âgefĂŒlltâ sein: Das Baby muss also vor und nach dem Stillen unbedingt genau die gleiche Kleidung tragen â nicht vorher mit Windel und Body, danach nur mit Windel. Dann wĂŒrde uns das Gewicht des Bodys bei der zweiten Messung fehlen und wir wĂŒrden die Milchmenge unterschĂ€tzen. Auch HandtĂŒcher, SpucktĂŒcher, MĂŒtzchen etc. mĂŒssen genau gleich aufgelegt werden.

Sind Stillproben sinnvoll?
Am Anfang hatten wir schon gespoilert, dass Stillproben nur noch selten in Deutschland angewendet werden (in anderen LÀndern noch deutlich hÀufiger!).
Es gibt mehrere GrĂŒnde dafĂŒr, warum Stillproben nur selten wirklich sinnvoll sind.
- Babys trinken bei jeder Mahlzeit unterschiedlich viel: Es ist ganz normal, dass die Trinkmenge bei jeder Stillmahlzeit von mal zu mal schwankt. Das hĂ€ngt vom Appetit des Babys ab, aber auch von tageszeitlichen Schwankungen der Milchbildung, auch davon, wie lange die letzte Stillmahlzeit her ist. Es könnte beispielsweise sein, dass Mary im Fallbeispiel oben erst vor einer Stunde getrunken hat â und da 30 Gramm zu sich genommen hat. Es mĂŒsste also, um legitime Aussagen treffen zu können, jede Mahlzeit ĂŒber mindestens 24 Stunden âgetestetâ werden, was aber einen groĂen Stress fĂŒr die Familie bedeutet.
- Die einmal durchgefĂŒhrte Stillprobe misst nicht das natĂŒrliche Stillen: Zwar glauben auch viele Professionelle das, aber Babys trinken natĂŒrlicherweise nicht in festen Mahlzeiten alle paar Stunden. Viel eher ist es so, dass sie immer wieder an die Brust wollen, wenn man sie lĂ€sst. WĂŒrde sich das Baby stĂ€ndig in der NĂ€he der Brust befinden, wĂŒrde es auch immer wieder trinken wollen. Manchmal fordern sich Babys dieses natĂŒrliche Trinkverhalten beim Clusterfeeding ein. Eine einmalig durchgefĂŒhrte Stillprobe ist also nicht besonders relevant, um die Gesamttrinkmenge ĂŒber den Tag abzuschĂ€tzen.
- Die Beurteilung, ob ein Baby genug Milch bekommt, kann und sollte anhand mehrerer Befunde erfolgen: Um festzustellen, ob ein Baby wirklich zu wenig Milch bekommt, mĂŒssen unter anderem der Gewichtsverlauf und die Ausscheidungen des Babys betrachtet werden. Die Stillprobe allein ist da zu ungenau â und man lĂ€uft Gefahr, zuzufĂŒttern, wenn es gar nicht nötig ist, was dann wiederum dazu fĂŒhrt, dass irgendwann tatsĂ€chlich zu wenig Milch da ist, weil die Brust nicht hĂ€ufig genug stimuliert und geleert wird.

- Babys brauchen unterschiedlich viel Milch: Selbst wenn bei einer Stillprobe eine Trinkmenge von 20 Gramm gemessen wird und damit auf den Tag hochgerechnet werden könnte â jedes Baby braucht ganz unterschiedlich viel Milch. Unterschiede von 500 Milliliter bis 1100 Milliliter sind je nach Alter, Gewicht und individuellen BedĂŒrfnissen ganz normalQuelle. Wichtiger also, nochmal, ist die Gesamtbeurteilung der Situation.
Warum wird die Stillprobe im Krankenhaus trotzdem gemacht?
Das können wir nicht ganz sicher beantworten, aber sicherlich spielen verschiedene GrĂŒnde eine Rolle:
- Tradition / Weitergegebenes Wissen: Wie gesagt wurden Stillproben frĂŒher sehr hĂ€ufig gemacht und als einziges (oder eines von wenigen) Kriterien genutzt, um zuzufĂŒttern.
- Mangelnde weitere Mittel die Situation einzuschĂ€tzen: Im Krankenhaus stehen oft nicht viele Informationen zur VerfĂŒgung: Das Kind ist erst wenige Tage alt, es gibt wenig Gewichtsmessungen, vielleicht fehlen auch Expert*innen, die die Brust vernĂŒnftig untersuchen und einschĂ€tzen können, ob genug DrĂŒsengewebe da ist, ob der Milcheinschuss kurz bevorsteht, etc.
- Bequemlichkeit: Manchmal mag es auch sein, dass mit einer ânegativenâ Stillprobe einer Mutter, die sich noch gegen das ZufĂŒttern sperrt, gezeigt werden kann, dass ihr Kind âgar nichts bekommtâ. Entweder wird das dann aus Unwissen, oder aus Dreistigkeit behauptet, weil es natĂŒrlich unter UmstĂ€nden fĂŒr das Klinikpersonal einfacher sein könnte, zuzufĂŒttern, als sich eingehender mit der Situation auseinanderzusetzen.
Gibt es auch Situationen, in denen die Stillprobe weiterhin sinnvoll ist?
Ja, Stillproben können auch weiterhin eine ErgĂ€nzung zur GesamteinschĂ€tzung der âMilchmengen-Situationâ sein. Gerade wenn es darum geht, abzuschĂ€tzen, ob jetzt zugefĂŒttert werden muss, oder eben nicht, spielen sie auch weiterhin eine Rolle â mit oben genannten EinschrĂ€nkungen.
Stillproben können auch eingesetzt werden, wenn es um die ZufĂŒtterungsmenge geht. Nimmt ein Baby lĂ€ngerfristig nicht gut zu, kann die benötigte Trinkmenge berechnet werden und dann anhand einer oder mehrerer Stillproben bestimmt werden, wie viel das Baby ungefĂ€hr aus der Brust bekommt.
Wenn also ein Baby etwa 10 Mal 80 Milliliter pro Tag trinken sollte, bei einer Stillprobe aber wiederholt nur 30 Gramm nachgewiesen werden, dann könnte die ZufĂŒtterungsmenge vorĂŒbergehend auf 50 Milliliter pro Mahlzeit angesetzt werden. Aber Achtung: Zu viel zufĂŒttern kann zu einer weitern Verringerung der Milchmenge fĂŒhren, wenn nicht hĂ€ufig genug angelegt oder abgepumpt wird. Mehr dazu in unserem Artikel zum Thema Milchbildung anregen.
