Beim baby led weaning, also etwa „babygeführtem Abstillen“ entscheidet dein Baby selbst, was, wann und wieviel es ist. Damit unterscheidet es sich maßgeblich von der Breifütterung mit dem Löffel, die von den meisten Menschen auch weiterhin praktiziert wird.
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Kinderärztinnen und Kinderärzte haben oft Sicherheitsbedenken beim baby led weaning, die wir hier einmal ansprechen wollen. Da wir ja in erster Linie eine Still-Seite sind, erhältst du ausführlichste Informationen traditionell auf babyled-weaning.de oder breifreibaby.de
Los geht’s!
Ist baby led weaning sicher?
Seit das baby led weaning vor einigen Jahren populär geworden ist, gibt es immer wieder Bedenken, das Konzept könnte aus mehreren Gründen nicht sicher sein:
- Das Kind bekommt nicht genug Kalorien
- Es bekommt Eisen- oder sonstigen Nährstoffmangel
- Baby led weaning kann das Risiko für Allergien erhöhen
- Es kann sich verschlucken und an den Nahrungsmitteln ersticken
Schauen wir uns diese Bedenken mal etwas näher an. Aufgepasst: Es gibt nur ganz wenige Studien konkret zum baby led weaning, sodass sich die möglichen Probleme eher aus theoretischen Erwägungen ergeben haben und bislang wenig wissenschaftlich überprüft wurden. Wir wollen hier auch kein komplettes „Review“ der vorhandenen Studien betreiben sondern nur die wichtigsten Erkenntnisse herausstellen und diskutieren.
Das Kind bekommt nicht genug Kalorien
Die WHO empfiehlt, dass ein Baby sechs Monate ausschließlich gestillt werden soll. In dieser Zeit müssen (im Normalfall) weder künstliche Nahrungen noch Breie oder andere Nahrungsmittel zusätzlich gegeben werden.
Dass dein Baby gut wächst, merkst du daran, dass es sich gut entwickelt, stetig zunimmt und sich auf seinen Perzentilen entlang entwickelt. Dass das alles funktioniert checkt im ersten Lebensjahr ganz regelmäßig deine Kinderärztin.
Wenn du nach sechs Monaten Beikost einführst, dann nimmt diese natürlich einen gewissen Teil der Kalorienaufnahme ein. Es gibt ernährungswissenschaftlich erstellte „Breipläne„, die vorsehen, dass du immer mehr Stillmahlzeiten zugunsten einer Breimahlzeit ausfallen lässt.
Es gibt reichlich berechtigte Kritik an diesen Breiplänen. Das geht von Lobbyismus der Babybrei-Industrie bei der Erstellung dieser Pläne bis zu unrealistischen Anforderungen an ein Baby. Denn: Gerade Kinder, die ausschließlich gestillt werden, interessieren sich anfangs oft so gar nicht für Babybrei.
Und sie müssen es auch nicht: Muttermilch bietet im ersten Lebensjahr normalerweise genug Kalorien, um auch ohne zusätzliche Nahrungsaufnahme dein Baby mit ausreichend Kalorien zu versorgen. Ein Baby zwischen 6 und 12 Monaten benötigt etwa 750-900 Kalorien pro Tag1, um zu wachsen. Das entspricht etwa einem Liter Muttermilch, was du problemlos produzieren kannst, wenn es sonst nichts zu sich nimmt. Die Brust richtet sich nach der Nachfrage. Sehr viele gestillte Babys essen bis zum ersten Geburtstag auch fast keinen Brei, selbst wenn man es versucht. Die verhungern auch nicht alle auf halber Strecke.
Aber Achtung: Das heißt nicht, dass du die Beikost nicht einführen solltest. Denn erstens muss dein Baby lernen, auch mit festerer und schließlich jeder Nahrung klarzukommen – also zu beißen, zu kauen, zu schlucken. Zweitens benötigt es durchaus auch zunehmend andere Nährstoffe, die Muttermilch ab einem gewissen Punkt (der für jedes Baby unterschiedlich ist) nicht mehr zu geben vermag). Drittens ist es wichtig zur Allergieprophylaxe.
Das heißt: Die Sorge, dein Baby bekomme nicht genug Kalorien serviert, weil es beim baby led weaning nicht ausreichend Nahrung zu sich nimmt, ist wahrscheinlich nicht berechtigt. Trotzdem gibt es durchaus Literatur die zeigt, dass „baby led – Kinder“ häufiger untergewichtig sind2. Und klar: Falls irgendwelche Auffälligkeiten vorliegen, zum Beispiel auch was das Wachstum und Gedeihen angeht, muss genau evaluiert werden, was vor sich geht.
Zumindest ist dies kein Argument, das das baby led weaning völlig verbieten würde.
Es bekommt einen Eisen- oder sonstigen Nährstoffmangel
Auch dieses Argument ist nicht völlig von der Hand zu weisen, spricht aber auch nicht gegen das baby led weaning als solches.
Muttermilch enthält relativ wenig Eisen. Babys kommen mit einem Eisenspeicher zur Welt, der etwa ein halbes Jahr reicht. Diese Zeit könnte sogar verlängert werden, wenn nach der Geburt spät abgenabelt würde, was aber leider nicht überall passiert.
Deshalb muss dein Baby nach sechs Monaten auf Eisen von „außerhalb“ zugreifen können. Wenn allerdings die Muttermilch wenig davon enthält – wo soll sie dann herkommen? Richtig, aus der Beikost. Fachgesellschaften empfehlen überall aus der Welt auch aus diesem Grund, dass spätestens nach sechs Monaten die Beikost eingeführt wird.
Die Sorge ist nun, dass durch das baby led weaning nicht genug Essen auf den Tisch und dann in den Magen deines Babys kommt, weil es zu schwierig sei, genug eisenhaltige Nahrung anzubieten. Ein Babybrei böte da eine deutlich höhere Eisendichte.
Das stimmt wahrscheinlich. Es löst aber nicht das Problem, dass manche Babys nicht nur das Essen beim baby led weaning, sondern eben auch die Breie verschmähen.
Pragmatisch sollte die wenige Beikost, die ein gestilltes Baby zu sich nimmt, dann trotzdem eisenhaltig sein, das heißt, dass du auf jeden Fall auch Nahrungsmittel mit mehr Eisen anbieten solltest, was (leider?) in erster Linie Fleisch ist. Aber auch andere Lebensmittel haben höhere Eisengehalte, sodass es sinnvoll ist, sich hier zu informieren.
Ein kleiner Trost: Säuglinge ab einem halben Jahr scheinen eine eisenarme Beikost mit einer besseren Ausschöpfung des geringen Eisengehaltes in der Muttermilch zu kompensieren3.
Auch hier gilt: Mach dir keine zu großen Sorgen, wenn dein Baby nur geringe Mengen Beikost (ob nun baby led weaning oder Brei) zu sich nimmt. Versuche vor allem eisenreiche Nahrungsmittel anzubieten und gehe spätestens bei Symptomen, die auf einen Eisenmangel hindeuten könnten, zur Kinderärztin.
Falls du mehr wissen möchtest: Das Still-Lexikon hat einen großartigen Artikel zu dem Thema verfasst3.
- Kösel-Verlag
- Baby-led Weaning – Das Grundlagenbuch: Der stressfreie Beikostweg. Komplett überarbeitete und aktualisierte Neuausgabe
Baby led weaning kann das Risiko für Allergien erhöhen
Internationale Leitlinien sind sich – basierend auf Studien – recht einige darin, dass die Einführung von Lebensmitteln unter dem „Schutz des Stillens“ passieren sollte, da dies das Risiko für Allergien sowie für Zöliakie (Glutenintoleranz) verringern würde.
Die Sorge der Gegner des baby-led weaning lautet, dass durch das Nicht-Folgen von Breiplänen, die genau dieses „Einführen unter dem Schutz des Stillens“ berücksichtigen, sich das Allergie- und Zöliakierisiko erhöhen könnte.
Dazu lassen sich verschiedene Dinge sagen:
- Natürlich kann auch ein Kind, bei dem baby led weaning stattfindet, glutenhaltige bzw. allergierelevante Nahrungsmitteln unter dem Schutz des Stillens nach sechs oder mehr Monaten einführen, es muss nur halt nicht als Brei erfolgen. Unseres Wissens gibt es keine bekannte Mindestmenge, die von einem bestimmten Lebensmitteln eingenommen werden muss, um die Allergie zu vermeiden.
- Die meisten Kinder, die in Deutschland Babybrei erhalten, werden ohnehin nicht mehr gestillt. Da Eltern, die sich mit dem Thema baby led weaning auseinandersetzen wahrscheinlich ohnehin mehr Interesse für die Ernährung ihres Kindes haben, ist die Chance hoch, dass unter diesen auch nach sechs Monaten und darüberhinaus noch gestillt wird.
- Dass die Einführung von neuen Lebensmitteln unter dem Schutz des Stillens tatsächlich Allergien vermeidet, ist kein wissenschaftlicher Konsens. Es gibt Studien die dafür sprechen und solche, die keinen Zusammenhang sehen4. Allerdings spricht die bisherige Datenlage insgesamt scheinbar eher dafür.
Zusammenfassend: Nichts genaues weiß man nicht. Das Risiko, dass das baby led weaning das Allergierisiko erhöht, ist nicht vollkommen auszuschließen, aber erwiesen ist es eben auch nicht.
Baby led weaning erhöht das Risiko für Verschlucken und das Ersticken an Nahrungsmitteln
Nun zum gruseligsten Aspekt des baby led weaning: Das Risiko, dass dein Kind sich verschluckt und an Nahrungsmitteln im schlimmsten Fall sogar erstickt.
Aus kinderärztlicher Sicht ist diese Sorge vollkommen verständlich. Ein Gegenstand oder Lebensmittel in der Luftröhre eines Kindes ist eine der schlimmsten Situationen, die man im kinderärztlichen Alltag gegenüber stehen kann und nicht selten gehen diese Situationen mit dem Versterben oder lebenslangen Behinderungen beim betroffenen Kind einher5.
Dass Kinder sich beim Essen – auch von Brei – verschlucken, dann würgen oder husten, ist nicht ungewöhnlich. Da Säuglinge während des ersten Jahres immer besser lernen, mit fester Nahrung umzugehen – koordiniert zu beißen, zu kauen und zu schlucken – liegt die Sorge nah, dass die festen Nahrungsmittel beim baby led weaning die Gefahr gegenüber einem Brei deutlich erhöhen.
Deshalb müssen einige Vorkehrungen getroffen werden: Gegessen wird nur in aufrechter Position, es wird dem Baby nichts in den Mund gesteckt, was es nicht selber greifen kann, es werden keine Nüsse oder andere kleine, zu harte Lebensmittel gefüttert. Dazu zählen auch rohe Gemüse und manche Obstsorten (Möhre, Salatblätter, Apfel, Erbsen, Kirschtomaten, Weintrauben, und einige weitere), getrocknete Früchte wie Rosinen oder Cranberrys, Bonbonbs, Heißwürstchen und andere harte Lebensmittel, die nicht durch Drücken mit der Zunge gegen den Gaumen „zermatscht“ werden können.
Es gibt nur sehr wenige Untersuchungen, die sich wirklich mit der Frage beschäftigt haben, ob Kinder durch baby led weaning sich häufiger verschlucken. Am prominentesten wahrscheinlich eine Studie in Pediatrics, einer sehr renommierten Fachzeitschrift, die keinen Unterschied von Würge- oder Verschluckvorgängen zwischen BLW und „traditionell“ ernährten Kindern festgestellt hat6. Dies wurde in anderen Studien ebenso beobachtet7, eine Studie, die die durchgeführten Lungenspiegelungen bei Kindern untersucht hat, hat jedoch eine erhöhte Rate von BLW-Kindern gefunden8. Zum Thema „Tod durch baby led weaning“ haben wir keine Studie oder Fallberichte gefunden.
Zusammenfassung
Baby led weaning wird vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte aufgrund der genannten Risiken nicht empfohlen.
Tatsächlich gibt es für jedes dieser Risiken gute Gründe anzunehmen, dass sie zutreffen könnten. Studien, die die Risiken belegen – oder das Gegenteil zeigen – gibt es nur vereinzelt und es fällt schwer, definitive Aussagen zu treffen.
Unsere Meinung ist: Du wirst selbst entscheiden müssen, ob du die potentiellen Gefahren für das baby led weaning in Kauf nimmst. Es ist sicherlich nicht unverantwortlich, weil es weltweit millionenfach so durchgeführt wird, es ist aber auch völlig okay, wenn du dich für den traditionellen Breiweg entscheidest.
Die Risiken des baby led weaning reduzieren kannst du, wenn du auf geeignete Lebensmittel achtest, dich vorher gut informierst und bei Anzeichen von Problemen (schlechtes Wachstum, blasse Haut, usw.) frühzeitig deine Kinderärztin befragst.
Aus Stillsicht ist uns wichtig zu sagen: Falls es geht, still auf jeden Fall weiter.
- Du musst KEINE Stillmahlzeit durch Brei ersetzen.
- Du DARFST auch dann stillen, wenn dein Baby nicht viel gegessen hat. Du musst dein Baby NICHT hungern/dursten lassen indem du das Stillen nach einer ungegessenen Mahlzeit weglässt.
- Du DARFST im ganzen ersten Lebensjahr hauptsächlich stillen.
- Du SOLLTEST unbedingt nach frühestens vier, besser aber sechs Monaten die Beikost einführen – aber nicht später – welche Art von Beikost (BLW oder Brei) ist dir überlassen.
- Du DARFST auch nach dem ersten Geburtstag so lange zusätzlich stillen, wie du und dein Baby es mögen.