AutorInnen: Anastasia Heimann, IBCLC, und Dr. Tobias Heimann, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin.
Erstellt: 06.02.2025
Der Milcheinschuss: Oft herbeigesehnt, ist der Start der reichlichen Milchbildung nicht selten mit Schmerzen und weiteren unangenehmen Symptomen verbunden. Was es mit diesen Schmerzen auf sich hat und was du dagegen tun kannst lernst du hier.

(Bild: Dall-E)
Was ist der Milcheinschuss?
Wie der Milcheinschuss funktioniert und alles, was du sonst noch darüber wissen möchtest, lernst du in unserem Artikel zum Milcheinschuss. Zusammengefasst funktioniert er so:
- Schon sehr früh in der Schwangerschaft wird die Milchbildung vorbereitet, über die gesamte Schwangerschaftsdauer „reifen“ die Zellen in der Brust heran. Dazu ist eine Reihe Hormone verantwortlich, allen voran das Prolaktin.
- Theoretisch wären sie schon sehr früh, etwa ab der Hälfte der Schwangerschaft, in der Lage, eine vorläufige „Milch“ zu produzieren, sie werden jedoch vom Progesteron (dem „schwangerschaftserhaltenden“ Hormon) daran gehindert.
- Das Progesteron wird vor allem von der Plazenta (vom „Mutterkuchen“) produziert. Werden Kind und Plazenta geboren, fällt der Progesteronspiegel in der Mutter ab.
- Nun kann das Prolaktin (das „Milchbildungshormon“) seine Arbeit endgültig aufnehmen: Während das Baby in den ersten Tagen nur wenige Milliliter Kolostrum pro Stillmahlzeit erhält, nimmt etwa meist ab dem 3. Lebenstag die Milchmenge plötzlich zu: Das ist der Milcheinschuss.
- Beim Milcheinschuss merkt auch die Mutter in der Regel nochmal deutlich, dass der Brustumfang zunimmt. Vorausgesetzt, dass der Milcheinschuss gut funktioniert, stoppt ab diesem Moment in der Regel auch die Gewichtsabnahme des Säuglings und er nimmt langsam wieder zu, um nach einigen Tagen sein Geburtsgewicht wieder zu erreichen

(Bild: Dall-E)

Warum kommt es beim Milcheinschuss manchmal zu Schmerzen?
Nicht wenige Mütter finden es unangenehm, wenn die Milch „einschießt“, einige haben aber sogar richtiggehend Schmerzen dabei. Das liegt an verschiedenen Dingen, die alle dazu führen, dass sich der Druck im Brustgewebe erhöht:
- Die Milchbildung startet: Wie oben beschrieben wird plötzlich deutlich mehr Milch produziert als zuvor. Während in den ersten zwei Lebenstagen pro Mahlzeit nur wenige Milliliter Vormilch getrunken werden, erhöht sich die tägliche Menge nun auf mehrere hundert Milliliter am Tag. Dies erhöht die Menge in den Milchbläschen (wo die Milch gebildet wird) und den Milchgängen (von wo sie zum Kind geleitet wird).
- Die Durchblutung und der Lymphfluss steigt: Ein aktives Organ muss gut durchblutet sein, und so ist es auch bei der Brust. Die Durchblutung (also die Menge an Blut, die pro Zeit durch sie hindurchfließt) erhöht sich deutlich, was dazu führt, das Arterien und Venen gut gefüllt sind.
- Alles staut sich: Gleichzeitig ist durch den zunehmenden Druck die Mikrozirkulation gestört, sodass das Blut teilweise nicht abfließen kann und die Flüssigkeit ins Gewebe austritt. Dies kann wiederum zur Freisetzung von Enzündungsmediatoren führen, die wiederum Schmerzreize auslösen.

(Bild: Dall-E)
All das führt dazu, dass das Brustgewebe deutlich anschwillt. Die gesteigerte Durchblutung führt zu Rötung und Überwärmung, die Schwellung und der Austritt von Flüssigkeit ins Gewebe sorgt für Aktivierung von Schmerzrezeptoren. Besonders betroffen sind auch Mütter, die während der Geburt größere Mengen Infusionen bekommen habenQuelle, da die erhöhte Flüssigkeitsmenge im Körper ebenfalls zur Schwellung beitragen kann.
Einen ähnlichen Schmerz wie den des verstärkten Milcheinschusses kennen übrigens auch Mütter, die bereits voll in der Milchbildung sind und dann mehrere Stunden lang nicht stillen.

Was tun?
Ein übermäßig starker Milcheinschuss mit starken Schmerzen sollte behandelt werden. Nicht nur ist eine solche Situation unangenehm. Leider steigt auch das Risiko für vorzeitiges ungewolltes Abstillen, da das Stillen oft nicht mehr gut funktioniert, die Brust nicht gut entleert wird und dadurch die Milchbildung nicht weiter gefördert wird.
Es ist vielleicht keine große Hilfe im Akutfall, aber in der Regel lassen sie Symptome nach einigen Tagen nach, wenn sich die Milchmenge eingependelt hat und die Durchblutung langsam abnimmt. Bis dahin sind allerdings Maßnahmen nötig, um die Schmerzen erträglich zu machen und Komplikationen zu vermeiden.
Leider gibt es wenig wissenschaftliche Evidenz dafür, welche Maßnahmen wirklich am effektivsten helfen. Die folgenden Empfehlungen stammen aus dem entsprechenden Protokoll der Academy of Breastfeeding Medicine.
Sinnvolle Maßnahmen
- Stillen nach Bedarf: Manche Hebamme oder Stillberaterin empfiehlt, dass ein Baby in dieser Situation möglichst häufig angelegt wird oder sogar Milch abgepumpt werden sollte. Die Idee dahinter ist, dass der Druck auf das Brustgewebe dadurch abnimmt und die Symptome gelindert werden. Leider ist die Brustentleerung „auf Teufel komm raus“ mittelfristig kontraproduktiv, denn so sorgst du dafür, dass die Milchmenge noch weiter ansteigt. Denn die Milch gehorcht einem „Angebot-und-Nachfrage“-Mechanismus, und wenn du durch eine starke künstliche Entleerung dafür sorgst, dass die Brust immer leer ist, „denkt“ dein Körper, dass da offenbar ein sehr großer Bedarf besteht und reguliert die Milchmenge zusätzlich hoch. Stattdessen ist es auch in dieser Situation ratsam, dein Baby „nach Bedarf“ zu stillen, also immer dann, wenn es signalisiert, wieder an die Brust zu wollen. Dies bewahrt sich auch davor, dass die Milchmenge zurückgeht, wenn gar nicht mehr oder weniger gestillt würde.
- Vorsichtige zusätzliche Entleerung: Der vorherige Punkt bedeutet nicht, dass du nicht trotzdem etwas entleeren kannst. Lass dir von einer Stillberaterin oder Hebamme zeigen, wie du Milch per Hand ausstreichst und streiche immer gerade soviel aus, dass die Brust sich weniger gespannt anfühlt, so, dass die Schmerzen erträglicher werden – besser ist es natürlich, wenn dein Baby diese Aufgabe übernimmt, aber wenn es gerade nicht möchte, ist das ein adäquates Vorgehen.
- Lass dir beim Anlegen helfen: Kleine Neugeborene können mit einer prall gefüllten Brust oft nicht gut umgehen. Das Gewebe ist zu fest, als dass sie eine ausreichende Menge Brustgewebe in den Mund bekommen können, deshalb schaffen sie es häufig nicht, die Milch adäquat zu entleeren. Lass dir von jemandem zeigen, der sich auskennt, was du tun kannst, um das Anlegen zu erleichtern. Dabei kommt z. B. die sogenannte „Reverse Pressure Softening Technique“ in Frage, die die Brust etwas „mundgerechter“ macht. Auch das Ausstreichen einer kleinen Menge Milch kann das Anlegen ggf. erleichtern.
- Heimann, Dr. Tobias (Autor)
- Schmerzmittel: Sprich mit deiner Hebamme oder Frauenärztin über entzündungshemmende Schmerzmittel. In der Regel kommt hier Ibuprofen zum Einsatz, weil dieses sowohl gegen die Schmerzen wirkt, als auch die Entzündung reduziert. Keine übermäßige Sorge vor Nebenwirkungen bei deinem Baby: Ibuprofen ist (neben Paracetamol) das Mittel der Wahl in der Stillzeit und sollte sich in der Regel nicht auf den gestillten Säugling negativ auswirken.
- Kühlung: Die Brust zu kühlen führt nicht nur zu einer Schmerzlinderung, sondern kann auch die Schwellung reduzieren. Dafür gibt es spezielle Produkte in der Drogerie, oder du nimmst erstmal das, was das Kühlfach hergibt. Häufig getroffene Empfehlungen Kohl oder Quark auf die Brust aufzutragen sind wahrscheinlich relativ sinnlos, deren Effekt beruht am ehesten auch auf der dadurch auftretenden Kühlung. Manchmal wird von der Nutzung von Kohl auch gewarnt, da dieser Listerien enthalten könnte.

(Bild: Dall-E)

Fazit
Solltest du während des Milcheinschusses übermäßige Schmerzen spüren, zögere nicht lange, dich an deine Hebamme oder Stillberaterin zu wenden. Je eher du das tust, desto eher wirst du Hilfe bekommen und du reduzierst das Risiko ungewollter Komplikationen. Das gilt für die gesamte Stillzeit: Denn Stillen sollte weitgehend schmerzfrei und „einfach“ sein – ist es das nicht, such dir lieber zu früh als zu spät Hilfe, um dein Risiko, vorzeitig abzustillen, zu minimieren.