AutorInnen: Anastasia Heimann, IBCLC, und Dr. Tobias Heimann, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin.
Erstellt: 20.02.2025
Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch zur Geburt! Nun fragst du dich, wie oft ein Neugeborenes gestillt werden sollte, um genug Muttermilch zu kriegen. Diese Frage beantworten wir die in diesem Artikel.

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Zunächst geben wir dir die Kernantwort auf deine Frage, sprechen dann aber etwas ausführlicher über den täglichen Flüssigkeitsbedarf eines Babys, dann über die Stillhäufigkeit und am Ende über spezielle Fragestellungen und häufige Probleme.
Los geht’s!
Kernaussagen des Artikels
Vielleicht willst du nur das wichtigste zu deiner Frage wissen, wie oft du dein Neugeborenes stillen möchtest. Hier die schnelle Antwort auf diese Frage in drei Punkten:
❶ – Sechs bis acht Mal am Tag Stillen ist das absolute Minimum, das benötigt wird, um eine adäquate Milchbildung aufzubauen und aufrecht zu erhalten.
❷ – Besser ist es aber eher acht bis zwölf Mal anzupeilen, denn das entspricht bei den allermeisten Säuglingen der Wahrheit und dem Bedarf.
❸ – Manche Kinder aber „wohnen“ in den ersten Tagen und Wochen nahezu an der Brust und wollen fast ununterbrochen oder immer wieder kurz an die Brust. Auch das ist in den meisten Fällen normal.
❹ – Durch das häufige Stillen sorgen die Neugeborenen dafür, dass deine Brust darauf eingestellt wird, ausreichend Milch zu bilden.
❺ – Sorgt du künstlich für selteneres Stillen (z. B. durch Schnuller) läufst du eher Gefahr, dass deine Milchbildung nicht so gut in die Gänge kommt und erhöhst das Risiko vorzeitigen ungewollten Abstillens. (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Und nun zu den ausführlichen Infos, die dir helfen werden, die Kernaussagen zu verstehen!

Flüssigkeitsbedarf pro Tag
Nach der Geburt des ersten Kindes ist so ziemlich alles verunsichernd: Schläft es sicher? Ist es warm genug angezogen? Sieht sein Stuhlgang normal aus und vor allem: Wie geht das eigentlich mit dem Stillen udn – wie oft muss ein Neugeborenes gestillt werden?
Um diese Frage zu beantworten müssen wir uns zunächst mal den Flüssigkeitsbedarf eines Neugeborenen anschauen und auch die Milchbildung in deiner Brust.
Am Anfang nur sehr wenig…
Zunächst mal: In Millilitern gerechnet trinken Neugeborene in den ersten ein oder zwei Lebenstagen nur sehr wenig. Sie erhalten hier noch Kolostrum (die „Vormilch„), eine energie- und proteinreiche Muttermilch, von der initial einige Tropfen und dann wenige Milliliter ausreichen, um fit zu bleiben.

Das ist auch der Grund, warum Säuglinge in den ersten zwei bis drei Tagen Gewicht verlieren: Sie bekommen einfach noch nicht viel Milch, scheiden aber z. B. bereits Mekonium aus. Das ist normal und wird dann mit dem Milcheinschuss wieder aufgeholt.
…danach schon deutlich mehr!
Wie oben in der Tabelle schon angedeutet steigt danach aber die pro Mahlzeit getrunkene Milchmenge drastisch an und damit auch die Gesamttrinkmenge. Hier siehst du, dass nach wenigen Tagen schon fast das Maximum des Milchbedarfs erreicht ist und in den ersten zwei Lebensmonaten nur nach leicht ansteigt:

Jetzt weißt du schon, dass Neugeborene etwa 30-60 Milliliter pro Mahlzeit und (nach den ersten paar Lebenstagen) etwa 500-600 Milliliter pro Tag trinken.
Nun könnten wir also annehmen, dass wir etwa 600 durch 60 teilen könnten und zehn Mahlzeiten pro Tag erwarten? Das ist nicht falsch, aber auch nicht ganz richtig. Kommen wir also zur Stillhäufigkeit.

Die Stillhäufigkeit
Tatsächlich hören die meisten Frauen in Kliniken: Ein Neugeborenes sollte etwa alle 3 bis Stunden angelegt werden. Damit würden wir auf eine Stillhäufigkeit von 6 – 8 Mal pro Tag kommen. Aber reicht das aus?
In den meisten Fällen nicht. Leider ist es auch vielen Wochenbettpflegenden nicht bewusst, dass diese 3-4 Stunden das Minimum des täglichen Stillens sein sollten. Stillberaterinnen reden eher von der Faustregel 8-12 Mal pro Tag, also alle 2-3 Stunden.
Aber auch das ist nur die halbe Wahrheit, denn die ganze Wahrheit ist, dass Neugeborene viel individueller sind als das – und mache noch viel öfter an die Brust wollen, manche sogar gefühlt den ganzen Tag.
Oder wie es eine Berliner Hebamme mal ausdrückte. „Das Kind wohnt in den ersten Tagen an der Brust“.

Wenn du genau wissen willst, warum das so ist, musst du etwas über die Milchbildung verstehen.
Milchbildung verstehen
Wir beschäftigen uns in einem anderen Artikel ausführlich mit der Milchbildung, aber zwei Kernpunkte solltest du auf jeden Fall kennen:
❶ : Die Milchbildung reagiert auf Nachfrage
Die Milchbildung reagiert auf die Nachfrage. Stell dir eine Steinzeitmama vor, deren Kind leider kurz nach der Geburt verstirbt. Es wäre Energieverschwendung, wenn die Brust hier noch längere Zeit Milch produzieren würde. Dadurch, dass kein Kind mehr an der Brust trinkt, stellt diese die Produktion sehr schnell ein.
Aber andersrum stell dir vor, die Mutter bekommt Zwillinge: Die Brust muss jetzt sehr viel mehr Milch produzieren, als für ein Kind benötigt. Und sie reguliert auch hier selbst: Durch die höhere Nachfrage nach Milch (beide Kinder trinken) reguliert sie ihr Angebot sehr hoch.
Aber auch zwischen diesen beiden Extremen ist die Brust in der Lage, kurz- und mittelfristig ihre Leistung an die Bedürfnisse des Babys anzupassen – eben durch die Nachfrage. Steckt ein Säugling z. B. in einer Wachstumsphase, wird mehr Milch produziert. Führt die Mutter Beikost ein und stillt weniger, reguliert die Brust die Milchbildung herab.

Man kann also sagen: Dein Baby sorgt selbst für die Milchmenge. Und deshalb macht es Sinn, ihm die Brust so oft zu geben, wie es sie verlangt.
❷: Der Grundstein wird in den ersten Wochen gelegt
Dies nur in aller Kürze: Wenn du in den ersten Tagen häufig stillst, dann legst du damit den Grundstein für eine ausreichende Milchversorgung während der gesamten Stillzeit.
Das liegt – vereinfacht gesagt – daran, dass dann in deine milchproduzierenden Körperzellen verstärkt Prolaktin-Rezeptoren eingebaut werden. Jedes Mal, wenn dein Baby trinkt, wird in deinem Gehirn Prolaktin freigesetzt (das „milchbildende Hormon“). Es schwimmt durch das Blut und regt die Prolaktin-Rezeptoren in der Brust an, die daraufhin der Zelle befehlen, Milch zu produzieren.
Und je mehr dieser Rezeptoren eingebaut werden – und das funktioniert besonders gut in den ersten Tagen und Wochen nach der Geburt am besten – desto einfacher hat es das Prolaktin, seinen Rezeptor auch zu finden!
„Stillen nach Bedarf“!
Hierbei handelt es sich um ein wichtiges Mantra, das für viel Frauen die gesamte Stillzeit erleichtert: Das „Stillen nach Bedarf“. Das bedeutet nichts anderes, als dass dein Baby jederzeit dann an die Brust darf, wenn es will.
Das folgt aus dem, was wir oben gelernt haben: Nur wenn dein Baby uneingeschränkt an die Brust darf, kann es selbst für die Milchregulation sorgen. Hinderst du es daran (z. B. dadurch, dass du ihm bei Unruhe den Schnuller gibst), läufst du Gefahr, dass es die Brust weniger stimuliert, als eigentlich nötig wäre. Probleme der Milchmenge können die Folge sein, teilweise auch erst Tage oder Wochen später.

Was dir hilft: Hungerzeichen kennen
Manchmal kann es schwierig sein genau zu wissen, wann ein Baby wirklich an die Brust will, oder wann ein anderes Problem vorliegt (z. B. volle Windel, Kuschelbedarf, etc.).
Dabei hilft es dir, die sogenannten Still- oder Hungerzeichen kennen zu lernen:

Bild: Mit freundlicher Genehmigung von @diestillustration
Auch dazu haben wir einen ausführlichen Artikel: Hungerzeichen erkennen.
Bei der Frage, wie oft ein Neugeborenes gestillt werden sollte, kann es manchmal zu Problemen kommen, auch bestimmte weiterführende Fragen werden immer wieder gestellt. Einige davon beantworten wir jetzt.

Häufige Probleme und Fragestellungen
Wie kann ich sicher sein, dass es genug Milch bekommt?
Dass kannst du an einigen Kriterien erkennen, allen voran an der guten Gewichtszunahme. Wir haben einen ausführlichen Artikel zum Thema „zu wenig Milch“ und den Anzeichen dafür, hier die wichtigsten zusammengefasst:
- Ab dem 4. Tag hat dein Baby mindestens sechs nasse Windeln am Tag, der Urin ist hellgelb
- Ab dem 4. Tag hat dein Baby drei oder mehr Stuhlgänge, und zwar nicht nur kleine Kleckse. Sein Stuhlgang ist gelb oder gelblich. Mindestens 3-4 Stuhlgänge pro Tag bis zur 5. Oder 6. Lebenswoche
- Die Brust fühlt sich nach dem Stillen weicher an (das ist nicht bei jeder Frau so, aber bei den meisten)
- Deine Brust tut während oder nach dem Stillen nicht weh
- Dein Baby will mindestens 8, bis zu 12 Mal oder häufiger pro Tag an die Brust
- Das Geburtsgewicht wurde nach 10-14 Tagen erreicht (auch etwas später kann noch normal sein)
- Dein Baby schläft nicht länger als 3-4 Stunden, (eher 1-2 Stunden), wacht von selbst auf, ist dann wach und aktiv und signalisiert selbst, dass es gestillt werden möchte
- Während des Stillens kannst du dein Baby schlucken hören, außerdem ändert sich sein Saugrhythmus von schnellem „Nuckeln“ (das regt den Milchspendereflex an) hin zu langsamerem, „tieferem“ Trinken (hier läuft die Milch und es schluckt)
- Dein Baby entwickelt sich entlang seiner Perzentilen
Falls du dir Sorgen machst, zu wenig Milch zu haben, empfehlen wir dir unseren Online-Kurs „Mehr Milch Machen“:
Soll ich mein Baby zum Stillen wecken?
Das ist so eine Sache: Im Grunde ist die Antwort „Nein, aber…“.
Generell darf dein Baby auch mal längere Zeit durchschlafen – das ist ja auch für dich angenehm, nach einer anstregenden Schwangerschaft und Geburt.
Andererseits ist es gerade in den ersten Tagen wichtig, dass die Stillpausen zwischendurch nicht zu lang werden, vor allem dann, wenn zusätzliche Risikofaktoren hinzukommen (z. B. geringes Geburtsgewicht, Gelbsucht, starke Gewichtsabnahme oder langsames Erreichen des Geburtsgewichts). Besonders dann, wenn du noch eine sehr schwache Milchproduktion hast und dein Baby langsam in einen tatsächlichen Mangel rutscht, fehlt beim Neugeborenen manchmal einfach die Kraft, längere Zeit wach zu sein.
Die Antwort auf die Frage, ob man ein Neugeborenes zum Stillen wecken sollte, ist sehr individuell. Wenn du dir diese Frage stellst, solltest du deine Hebamme oder eine Stillberaterin fragen, wie es in eurer persönlichen Situation aussieht. Eine großartige Übersicht zu dieser Frage bietet ein Artikel beim Still-Lexikon.
Clusterfeeding
Wie bereits erwähnt: In den ersten Tagen „wohnt das Baby an der Brust“ und es ist ganz normal, dass es immer wieder dran möchte.
Manchmal folgt dann aber eine Phase, wo die Stillabstände etwas größer werden, ehe sie dann wieder tüchtig zunehmen. Gerade am Abend kommt es dann zu Phasen, wo ein Neugeborenes oder ein junger Säuling gefühlt ständig an die Brust will. Dies weckt bei vielen Müttern das Gefühl, dass sie vielleicht nicht genug Milch hat oder dass ein anderes Problem vorliegt.
Bei einem solchen Stillverhalten spricht man von „Clusterfeeding“ und meistens steckt da hinter kein echtes Problem. Viel mehr handelt es sich dabei meistens um Phasen höheren Bedarfs (z. B. in Wachstumphasen), auf die das Kind mit häufigerem Stillen reagiert (Was, wie du gelernt hast, die Milchbildung erhöht). Auch ein vermehrtes generelles Nähe- oder Kuschelbedürfnis kann sich im Clusterfeeding äußern.
Auch hier gilt: Wenn du dir Sorgen machst, dass etwas nicht in Ordnung ist (v. a. dann, wenn die Gewichtsentwicklung nicht so bombig ist oder andere Symptome auftreten): Sprich mit deiner Kinderärztin, Hebamme oder einer Stillberaterin.
Es treten Schmerzen auf
Gerade bei häufigerem Stillen ist es nicht selten, dass bei der Mutter Schmerzen oder wunde Brustwarzen auftreten. In den ersten Lebenstagen ist das normal, aber immer sollte bei Schmerzen rasch eine Stillberaterin auf das Stillen draufgucken, denn ganz häufig handelt es sich dabei um suboptimales Anlegen.
Lies dir unseren ausführlichen Artikel zu Schmerzen beim Stillen durch.

Fazit
Ein Neugeborenes sollte mindestens 6–8 Mal pro Tag gestillt werden, idealerweise jedoch 8–12 Mal, um eine ausreichende Milchbildung sicherzustellen. In den ersten Tagen kann das Baby auch sehr häufig oder nahezu durchgehend trinken – das ist normal und hilft, die Milchproduktion anzukurbeln.
Da die Milchbildung von der Nachfrage abhängt, ist Stillen nach Bedarf der beste Ansatz. Häufiges Anlegen stellt sicher, dass das Baby genug Nahrung erhält und die Brust ausreichend stimuliert wird. Ein zu seltener Stillrhythmus (z. B. durch den Einsatz von Schnullern oder feste Zeitpläne) kann die Milchproduktion verringern und langfristig zu Problemen führen.
Ob ein Baby zum Stillen geweckt werden sollte, hängt von individuellen Faktoren ab. Gesunde Neugeborene, die gut gedeihen, können auch mal länger schlafen. Babys mit niedrigem Geburtsgewicht, Gelbsucht oder langsamer Gewichtszunahme sollten jedoch regelmäßig geweckt werden, um sicherzustellen, dass sie genug Nahrung bekommen.
Phasen mit besonders häufigem Stillen, sogenanntes Clusterfeeding, sind normal und helfen der Milchproduktion. Sollten Unsicherheiten bestehen – etwa bei Schmerzen, mangelnder Gewichtszunahme oder Trinkverhalten – kann eine Stillberaterin oder Hebamme wertvolle Unterstützung bieten.
Quellen
- Mohrbacher, Breastfeeding Answers – A guide for helping families, 2. Auflage 2020
- Lawrence & Lawrence, Breastfeeding – A guide for the medical profession, Elsevier, 9. Auflage 2022
- Marasco, West, Making More Milk – The Breastfeeding Guide to Increasing your Milk Production, McGrawHill, 2. Auflage 2020
- Campbell, Lauwers, Mannel, Spencer – Core Curriculum for Interdisciplinary Lactation Care, Jones & Bartlett Learning, 1. Auflage 2019
- Smith, Comprehensive Lactation Consultant – Exam Review, Jones & Bartlett Learning, 5. Auflage 2023
- Wambach, Spencer, Breastfeeding and Human Lactation, Jones & Bartlett Learning, 6. Auflage 2021
- Lauwers, Swisher, Counseling the Nursing Mother – A Lactation Consultant’s Guide, Jones & Bartlett Learning, 7. Auflage 2021
- Guóth-Gumberger, Gewichtsverlauf und Stillen – Dokumentieren, Beurteilen, Begleiten, Mabuse-Verlag, 3. Auflage 2021
Illustrationen: winwinartlab, raulalmu, Olena Mats @ canva.com